Weite Landschaften, tiefgrüne Wälder, saftige Wiesen. Das ist es, was die Mittelgebirge in unseren Breiten ausmacht.
Unsere Mountainbike Tour durch die Belgischen Ardennen war jedoch eher geprägt von Blut, Schweiß und Schlamm. Eine Grenzerfahrung für uns und das Material. Aber von vorn:
Die Idee
Wie so oft beginnt diese Geschichte mit einer anderen Reise. Nämlich mit der pandemiebedingten Dachzeltreise durch Südeuropa im September 2020. Auf einem Campingplatz in Grado hatten wir einen netten Zeltnachbar, da auch er Dachzeltreisender war kamen wir schnell ins Gespräch. Auch er war Mountainbiker und leidenschaftlicher Läufer (Sachsenmeister im 10km Lauf) und erzählte vom kürzlich bezwungenen Stoneman Mountainbike Trail im Erzgebirge – eine Tour von weit über 150km und etwa 4000 Höhenmetern. Ziemlich verrückt hörte sich das an. Er wusste auch zu berichten, dass im Jahr 2020 ein weiterer Stoneman Trail in Belgien eröffnet wurde, dies sei ja nicht besonders weit vom Ruhrgebiet.
Das zweite Mal hörte ich von einem neuen Kollegen vom Stoneman Trail. Auch er habe den Trail im Erzgebirge bereits absolviert und sei begeistert. Dann habe ich etwas dazu recherchiert:
Die Stoneman Trails
Es gibt inzwischen sechs Stoneman Trails in mitteleuropäischen Gebirgen – fünf davon für Mountainbikes. Sie sind zwischen 120 und 200km lang und es sind zwischen 3000 und 5000 Höhenmeter zu bewältigen. Der „Vater“ der Trails ist der Südtiroler Mountainbike-Weltcupsieger Roland Stauder, der nach seiner Profikarriere zunächst den Stoneman Dolomiti erarbeitete, einrichtete und vermarktete – die weiteren folgten.
Jeder Trail kann in einem, zwei oder drei Tagen absolviert werden. Man meldet sich an einer Station an und am Ende wieder ab. Stationen gibt es in eigentlich jedem Ort auf der Strecke (Campingplätze, Hotels, Touristeninformationen…). Man erhält eine Karte und muss diese an acht Stationen auf dem Weg abstempeln. Abhängig wie lange man für die Strecke benötigt, schließt man mit Bronze (3 Tage), Silber (2 Tage) oder Gold (1 Tag) ab.
Der jüngste der Serie, der Stoneman Arduenna in den belgischen Ardennen, ist zwar vermutlich nicht der spektakulärste, 176km und 3900 Höhenmetern sind aber schon knackige Werte für den Gelegenheitsfahrer.
Der erste Eindruck bestätigte sich also: Verrückt.
Die Crew
Im laufe des letzten Jahres spaltete sich jedoch aus der örtlichen Feuerwehr eine kleine Gruppe von fünf Mountainbikern ab, zu denen auch ich mich zählen darf. Mehrmals pro Woche düsen wir unsere niederrheinische Gletschermoräne auf und ab – immer spontan auf Zuruf.
Auf irgendeiner Tour kam mal jemand auf die Idee, man könne ja mal eine etwas größere Tour zusammen machen. Ich warf den Stoneman Arduenna in die Runde – aus mangelnder Kenntnis von Alternativen. Man war begeistert und begann sofort mit der Terminplanung. Es kristallisierte sich das Wochenende um den 29.08. heraus – die Planung konnte beginnen.
Die Planung
Von den fünf Fahrern unserer Gruppe waren es zunächst vier – einer fiel aus beruflichen Gründen aus. Es blieben André, Björn, Robin und ich.
Zunächst schauten wir nach der komfortablen Variante. Eine Auswahl von Unterkünften an der Strecke bieten gegen Aufpreis einen Gepäcktransport an.
Aus Kostengründen kam schnell die Überlegung auf, unterwegs zu zelten. Campingplätze gibt es entlang des Trails genug. Bei drei von vier hat diese Entscheidung sofort Begeisterung hervorgerufen, der vierte hat sich – nicht ganz klaglos aber sportsmännisch – der Mehrheit gebeugt.
Die Vorteile beim Camping:
- Man ist unschlagbar günstig unterwegs
- Man ist flexibler
- Ich liebe Camping 🙂
Die Nachteile:
- Man benötigt viel Material
- Dieses ist teuer
- Man muss es transportieren
- Dafür benötigt man Gepäcktaschen
- Diese sind teuer
Zugegeben: Die Entscheidung klingt erstmal nicht besonders rational. Nun sind wir aber jung, haben alle viel Spaß am Fahren und sind uns sicher: Das wird nicht die letzte Tour! Wenn folgende Funktion wahr ist, hat sich das Camping amortisiert (n = Anzahl der Touren):
1 <= (
(Materialkosten + Campingkosten * n)
/ (Hotelkosten + Gepäcktransport) * n)
)
Das wäre bei mir so über den Daumen die zweite Reise (Ich habe den Vorteil, dass ich ohnehin viel campe und daher bereits viel Equipment habe). Mehrere ungeplante größere Reparaturen haben dafür vor der Fahrt nochmal ordentlich am Budget gefressen.
Wenn schon Budgeturlaub dann richtig: Am 1.9. endet die Hauptsaison in der Zielregion, sodass wir den Termin um eine Woche nach hinten verschoben haben, um den 4.9.2021. Eine Entscheidung von ungeheurem Wert, wie sich noch herausstellen sollte.
Die Ausrüstung
Aus verschiedenen Gründen blieben letztlich noch drei Fahrer übrig. Björn, Robin und ich haben also unsere Räder und unsere Campingausrüstung durch Ergänzung und Modifikation für die Tour vorbereitet. Letztlich entwickelten sich zwei grundlegend unterschiedliche Systeme:
Das Hardtail
Robin und ich fahren Hardtail, also Mountainbikes die lediglich an der Gabel des Vorderrads über eine Federung verfügen. Der Nachteil gegenüber einem vollgefederten Rad ist neben dem geringeren Fahrkomfort auch etwas weniger Stabilität auf ruppigeren Passagen und vor Allem bei Sprüngen, da der Aufprall recht ungebremst vom Körper aufgefangen wird. Keine Räder für den Bikepark also, aber Strecke kann man darauf hervorragend machen, auch in schlechtem Terrain.
Der Vorteil eines Hardtails ist jedoch die Möglichkeit, einen Gepäckträger zu befestigen. Da mein Rad ja ursprünglich für eine Islandtour gewählt und ausgerüstet ist, verfügt es über einen unverwüstlichen Tubus Logo Classic Gepäckträger aus Stahl. An diesem wollte ich zwei Ortlieb Frontrunner Taschen (die eigentlich für den Gepäcktransport am Vorderrad gedacht und daher sehr kompakt sind) befestigen. Es stellte sich aber schnell heraus, dass ich mit dem Volumen nicht hinkomme und bin auf die großen Ortlieb Backroller – also die Klassiker – umgestiegen.
Um das Gewicht gleichmäßig zu verteilen wollte ich auch Gewicht am Vorderrad haben. Gepäckträgerlösungen für Federgabeln gibt es, sind jedoch bei der derzeitigen Liefersituation für Fahrradkomponenten nicht oder nur völlig überteuert zu bekommen. Meine Idee, einen Ortlieb Drypack mittels Spanngurten am Lenker zu befestigen, hat funktioniert, erwies sich jedoch als unpraktisch und wenig vertrauenserweckend. Ich habe also wohl oder übel noch eine Topeak Frontloader Lenkertasche gekauft, mit der ich letztlich auch ziemlich zufrieden bin. In dieser fand mein MSR Mutha Hubba Zelt ohne Bodenplane und Heringe platz. In meiner linken Backroller (die ich zur schnellen Zuordnung mit einem gelben Aufkleber markiert habe) befanden sich Schlafsack, Isomatte und Daunenjacke. In der rechten Tasche war Kulturtasche, Zeltbodenplane, Hammer, Handtuch, Luftpumpe, etwas Reparaturzeug und Regenjacke, Wechselwäsche sowie Wasservorräte (2l) und Energieriegel untergebracht.
In einer weiteren Tasche am Oberrohr befanden sich ein Reparaturset, Leatherman, Portemonnaie, Handy und ein wenig Krimskrams. Im Rahmen die obligatorische Trinkflasche mit 0,7l Wasser. Auf Gepäck am Körper (Rucksack o.Ä.) habe ich gänzlich verzichtet.
Robins Setup sah fast identisch auch. Auch er hat schon seit einiger Zeit einen Gepäckträger von Racktime (gehört zu Tubus, ist jedoch aus Alu – Tubus Träger sind derzeit nicht zu bekommen) am Hardtail, mit zwei HiLo Sports Gepäcktaschen, die den Backroller in Form und Funktion sehr ähnlich sind. Auch er entschied sich für die Topeak Frontloader – mit sehr ähnlicher Beladung. Auch er hatte eine Tasche am Oberrohr und eine Trinkflasche im Rahmen. Abgesprochen haben wir uns übrigens nicht 🙂 .
Das Fully
Björn verfolgte einen gänzlich anderen Ansatz. Da er ein Fully fährt, also ein Mountainbike mit Federung sowohl an der Gabel als auch am Rahmen, sind seine Möglichkeiten der Gepäckbefestigung begrenzt. Er verzichtete im Gegensatz zu Robin und mir gänzlich auf Gepäck am Rad und verstaute all seine Utensilien sowie Medipack und Zeltheringe in einem Rucksack.
Beide Systeme haben Vor- und Nachteile, welches das Bessere ist liegt sicherlich in erster Linie am eigenen Geschmack sowie an der zu bewältigenden Tour. Im Vorfeld konnte das niemand von uns sagen. Welches System auf unserer Tour überlegen war, sollte sich jedoch schnell zeigen…
Letzte Vorbereitungen
Der September rückte näher. Wir setzten uns noch einige Male zusammen und prüften, was noch erledigt werden muss und ob noch essentielle Dinge fehlen. Wir teilten noch ein paar Sachen auf, die nur einmal benötigt werden oder ausgetauscht werden konnten (zum Beispiel Fahrradschläuche). Robin und ich haben am Wochende vor der Abfahrt noch eine Probetour mit komplettem Gepäck über 70km gemacht – beim schlechtmöglichsten Wetter. Es regnete in Strömen. Pausenlos. Alles war wasserdicht – dennoch war man zwangsläufig nach einigen dutzend Kilometern pitschnass. Da es aber nicht besonders kalt war konnten wir uns während der Fahrt darüber freuen, dass wir das günstigere und spätere Wochenende für unsere Tour gewählt haben – mit erheblich besserer Wettervorhersage.
Nach etwas Finetuning wurden die Aufbauten als reisetauglich erachtet.
Es konnte losgehen.