Island 2019 Teil 2: Westfjorde – Puffins und Wale

Tag 4: Der Weg in die Westfjorde

Das ist Teil 2 unserer Islandreise von 2019. Teil 1 findet ihr hier.

Nun sollten wir also in die Westfjorde vordringen. So weit wie Möglich Richtung Latrabjarg, was wir uns für Tag 5 auf den Plan geschrieben haben. Wir starteten also von Búðardalur auf die 60 nach Norden.

Die Guðrúnarlaug

Nach 17km bogen wir links ab auf die 589. Was es war, das uns dazu bewog dorthin zu fahren weiß ich nicht mehr. Vielleicht haben wir in einem Reiseführer davon gelesen oder sind bei der Recherche darüber gestolpert. Aus dem Gedächtnis jedenfalls hatte irgendetwas dort eine Anziehungskraft, die uns in das Dorf Laugarvell (eines von vielen mit diesem Namen übrigens) fahren ließ. Dort fanden wir bei N65° 14.794 W021° 48.390 die Guðrúnarlaug. Ein historisches – wenn auch rekonstruiertes – Thermalbad (kurz: Hotpot). Unsere zweite Begegnung mit der isländischen Badekultur. Da wir nicht darauf vorbereitet waren mitten im Nirgendwo einen 38° warmen Badepool vorzufinden, der aussah als wäre er aus einem Bilderbuch entflohen und auch noch völlig kostenlos ist, haben wir kein Bad darin genommen. Schade, denn er war bei bestem Wetter auch noch menschenleer. Hierher müssen wir also leider auch nochmal zurückkehren :-).

Malerisch: Die Guðrúnarlaug

Das Gebiet um die Guðrúnarlaug lädt auch zum Wandern ein. Trotz Krücken haben wir uns hinreißen lassen und eine kleine Rundwanderung gemacht. Die Wege waren bis auf wenige Stellen wirklich sehr leicht und daher war es eine gute Entscheidung, das windige aber dennoch sehr schöne Wetter an der frischen Luft zu genießen und uns in dieser schönen Umgebung etwas die Beine zu vertreten.

Eine kleine Wanderung

Wieder im Auto ging es auf der 60 weiter in Richtung Norden. Nach zwei Kilometern mussten wir leider schon wieder stoppen, weil ein wunderschöner Wasserfall am Straßenrand zum Staunen aufforderte. Dieser Wasserfall ist mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben, weil er eigentlich einfach vor sich hin plätscherte. Es gab keinen Parkplatz, keine Beschilderung, auf meiner Karte hat er nicht einmal einen Namen (obwohl er sicherlich einen hat, in Island hat fast alles einen Namen). Er ist auf Island einfach kaum der Rede wert. Isoliert betrachtet ist er jedoch einfach wunderschön, in einer westdeutschen Stadt wäre er sicherlich eine Hauptattraktion über regionale Grenzen hinaus gewesen. Das machte mir in diesem Moment klar, dass die Schönheit hier so inflationär präsent ist, dass man manchmal wirklich die Augen öffnen muss, um solche besonderen Orte nicht einfach als durchschnittlich abzutun. Denn das sind sie keineswegs.

Ein unbekannter Wasserfall

Nun aber weiter auf der 60. In der Planung der Radtour sagte Lutz einmal sinngemäß zu mir: „Die Westfjorde mit dem Rad mach ich nicht. Da wirste bescheuert, du siehst morgens schon dein Tagesziel und denkst du kommst nie an.“. Ich weiß was er meint. Selbst mit dem Auto ist das Fahren in den Westfjorden gewöhnungsbedürftig. Die Straße führt durch fast jede Landzunge, es geht in einem ewigen hin und her und auf und ab nur sehr schleppend voran. Dabei sind die wenigsten Straßen asphaltiert und es gibt selbst in der Hochsaison kaum Verkehr. Dem Massentourismus sind wir zuletzt am Gullfoss begegnet.

Nach etwa 160km biegen wir von der 60 nach links ab auf die 62 und nach weiteren 48km ein weiteres Mal auf die 612. Auf dieser fahren wir drei Kilometer am Südufer des Ósafjörður entlang, bis wir einen Fremdkörper in der Landschaft bemerken.

Die Garðar

Das Stahlschiff Garðar BA 64 lief 1912 in Norwegen vom Stapel. Es war sozusagen ein Hybrid, konnte es doch mit Wind und Dampf angetrieben werden. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde es nach Island verkauft und die Dampfmaschinen wichen modernen Dieselmotoren. Bis 1981 wurde es hier zur Fischerei eingesetzt. Und seitdem liegt es dort. Frei von Vandalismus, von der Witterung etwas mitgenommen, aber wunderschön. Über 100 Jahre alt, zwei Weltkriege überstanden, hat es auf dem Nordatlantik sicherlich viel erlebt. Schade, dass es nicht davon erzählen kann.

Das Stahlschiff Garðar

Wir folgen der 612 weiter und biegen nach vier Kilometern noch einmal nach links auf die 614 ab. Nach zehn Kilometern geht es geradeaus auf die 6178 und nach etwa drei Kilometern erreichen wir den Campingplatz Melanes.

Melanes

Obwohl es hier keine Werbung gibt bekommt der Campingplatz Melanes eine eigene Überschrift. Der Platz an sich ist eigentlich auch nicht besonders erwähnenswert, er ist sehr schön, sauber, mit modernen Sanitäranlagen und viel verbautem Holz. Das können andere jedoch auch. Auch preislich ist er mit den üblichen 1500ISK (knapp 11€) Pro Person und Nacht absolut im Mittelfeld.

Die Lage macht ihn aber zum schönsten Platz unserer Reise. Das hängt sicherlich auch mit dem tollen Wetter bei unserem Besuch zusammen, aber wenn man abends am rotgoldenen Strand Rauðisandur dem Sonnenuntergang (naja, im Juli geht die Sonne nicht unter… Aber fast!) zusieht, während vor einem die Schafe spazieren – dann kann man kaum glauben, dass man auf einer der rauesten Vulkaninseln der Welt mitten im Nordatlantik, keine 50km vom Polarkreis entfernt sitzt.

Eine Oase im Nordatlantik: Campingplatz Melanes

Tag 5: Látrabjarg und Dynjandi

Der fünfte Tag begann genauso schön wie der vierte endete. Die Sonne schien, der Himmel war blau, die Schafe grasten vor unserem Zelt. Da gerade Ebbe war lag vor uns ein weitläufiger Sandstrand, den wir etwas entlangspazierten – stets begleitet von den flauschigen Islandschafen.

Ein Strandspaziergang

Zu viel Zeit wollten wir jedoch nicht verlieren, schließlich stand heute Látrabjarg auf dem Programm und sollten sich tatsächlich einige Puffins zeigen, wollten wir sie gern bei diesem Wetter sehen.

Also sind wir über die 614 zurück zur 612, diesmal sind wir links abgebogen.

Nach 25km erreicht man eine weitere Kuriosität der Westfjorde:

Hnjótur

Hnjótur ist ein Museum auf dem gleichnamigen Bauernhof mit Fundstücken aus der Region, welche der inzwischen verstorbene Egill Olafsson in seinem Leben zusammengetragen hat. Sofort ins Auge fällt hier die teilweise demontierte Douglas DC3 der US Navy, deren Geschichte ich leider nicht recherchieren konnte.

Ein Sammelsurium (nicht nur) der Luftfahrtgeschichte: Hnjótur

Das Museum haben wir nicht besucht, wenn man jedoch die Zeit hat bekommt man hier sicherlich einen interessanten Einblick in das Leben und die Geschichte der Westfjorde.

Nach 23km erreichen wir endlich den westlichsten Zipfel Europas:

Látrabjarg

Auf den ersten Blick unspektakulär liegt er da, der Ort der Superlativen. Obwohl bei bestem Wetter und mitten in der Hauptsaison, können wir nicht behaupten dass es dort „voll“ gewesen wäre. Neben unserem standen eine Hand voll weitere Autos auf dem kostenfreien Schotterparkplatz und ein Kleinbus mit Ausflüglern war vor Ort, der aber zügig nach unserer Ankunft wieder abreiste. Dabei befanden wir uns nicht nur auf der westlichsten Landzunge Europas sondern auch direkt vor einem der größten Vogelfelsen der Welt. 14km lang und bis zu 450m hoch verschwindet die Steilküste am Horizont. Was auf den ersten Blick wie das rege Treiben von Insektenschwärmen aussah waren tatsächlich unzählige Wasservögel, die aufs Meer hinausflogen um ihren Nachwuchs mit frischen Fischen und Meeresfrüchten zu versorgen.

Einer der größten Vogelfelsen der Welt: Die Steilküste Látrabjarg

Wir stiegen also aus und gingen richtung Klippe, die lediglich mit einem kniehohen Seil abgesichert ist. Schon nach den ersten Metern blieb ich stehen und konnte mein Glück kaum fassen: Ein Puffin! Direkt hinter dem Absperrband. Ganz langsam hob ich meine Kamera mit vorbereitetem Teleobjektiv um das schöne Tier zu fotografieren, als ich feststellte dass die ganze Grasnabe oberhalb der Steilküste voll der putzigen Flugakrobaten war. Im laufe der nächsten Stunde machte ich 143 Fotos von Papageitauchern. Und die meisten davon sind wunderschön. Das liegt allerdings nicht an meinen bescheidenen fotografischen Fähigkeiten, sondern daran, dass ich in meinem Leben noch niemals so fotogene Tiere aufnehmen durfte. Wenn man einen Puffin in wunderschöner Pose gefunden hat und ihn in den Sucher nahm, schien er das zu merken und machte noch irgendwas total niedliches, mit den Flügeln wackeln oder so… Wir hätten hier Tage verbringen können.

Mission completed: Ein Puffinfoto!

Neben den Papageitauchern ist der Felsen auch besiedelt von unzähligen Möwen, Lummen und Tordalken, von welchen auf Island die weltweit größte Population beheimatet ist.

Auch wenn es uns schwer fiel, es lag noch reichlich Fahrstrecke vor uns und so mussten wir uns losreißen und die 612 wieder zurück in Richtung Osten fahren, den Abzweig auf die 614 nach Melanes rechts liegen lassen bis sie nach 47 km wieder auf die 62 mündet. Auf diese bogen wir nach links ab und halten uns nach 12 Kilometern bei Patreksfjörður rechts auf die 63. Auf dieser schlängelten wir uns wieder durch das Gebirge in Richtung Norden. Nach 27km erreichten wir den kleinen Ort Bíldudalur und trauten unseren Augen kaum: Da war er wieder, der Massentourismus! Allerdings ganz anders als gedacht, hunderte isländische Camper bevölkerten den kleinen Campingplatz und statteten ihre Mountainbikes mit Startnummern aus. Wir erfuhren, dass in der gegend eines der größten Mountainbikeevents Islands anstand. Wir hätten nun noch die Möglichkeit gehabt auf der Wiese vor dem Sanitärhaus unser Zelt aufzubauen, haben uns dann aber dazu entschieden dem Rummel zu entfliehen und noch weiter durch die Westfjorde in richtung Ísafjörður zu fahren, Campingplätze gab es auf der Route noch genug. Also weiter auf der 63 und nach 36km nach links auf die 60. Nach 22km erreichen wir eine weitere Hauptattraktion der Westfjorde:

Dynjandi

Der Tosende. Und wohl einer der schönsten Wasserfälle der Welt. Trapezförmig (oben 30m, unten 60m breit) fließt das Wasser des Flusses Dynjandisá 100m tief den Hang hinab, sammelt sich unten und ergießt sich in einer Kaskade von fünf weiteren Wasserfällen noch einmal 100m tief um unten in den Borgarfjörður zu münden.

Der Dynjandi

Vom großen, neu angelegten Parkplatz sind wir den schön angelegten Weg hinauf bis an den Fuß des Dynjandi gewandert (und gekrückt) und konnten so einen traumhaften Blick über das Spektakel genießen:

Die Dynjandisá mündet in den Borgarfjörður

Unser weiterer weg führte uns weiter auf der 60 nach Norden, vorbei an weiteren gut besuchten Campingplätzen, bis wir nach 43km nach links auf die 64 abbogen und nach sieben weiteren Kilometern den Campingplatz des kleinen Dorfes Flateyri erreichten.

Flateyri

Gerade einmal 200 Einwohner hat das kleine Fischerdorf, das durch eine imposante Wallanlage vor Gerölllawinen vom Eyrarfjall geschützt wird. Eine Gedenktafel erinnert an das Lawinenunglück von 1995, aber auch daran, wie abgeschieden man hier ist: fünf Stunden dauerte es damals, bis die ersten Rettungsmannschaften aus Ísafjörður am Unglücksort eintrafen. 20 Menschen verloren ihr Leben.

Der Campingplatz in den verschlafenen Dorf ist von einfachster Ausstattung: Eine Wiese mit Platz für eine Hand voll Camper, eine Holzhütte mit einer Spüle auf der einen und Toiletten auf der anderen Seite (allerdings alles sauber und gepflegt), und Carla, die Campsitecat, die uns am Abend von der freundlichen Kassiererin vorgestellt wurde, welche uns mit 1300ISK (ca. 9,50€) pro Person auch eine überschaubare Übernachtungsgebühr abnahm.

Carla hat die wenigen Gäste des Campingplatzes bestens unterhalten

Tag 6: Stadtbummel, Wale und Hotpots

Am nächsten Morgen führte uns der Weg zunächst wieder die knapp 7km zurück zur 60, auf welche wir nach links in Richtung Ísafjörður abbogen. Nach etwa drei Kilometern erreichen wir den Vestfjarðagöng, den längsten zusammenhängenden Tunnel Islands, welcher die Fjorde Önundarfjörður im Süden, Súgandafjörður im Westen und Skutulsfjörður (an dem auch die Stadt Ísafjörður liegt) im Norden miteinander. Besonders gewöhnungsbedürftig fanden wir, dass dieser Tunnel größtenteils einspurig ist. Nein, er hat nicht zwei Röhren mit je einer Spur für jeweils eine Richtung, sondern der Verkehr aus beiden Richtungen teilt sich eine einzige Spur in einer Röhre. Natürlich gibt es in regelmäßigen Abständen Ausweichbuchten, da dies eine der Hauptverkehrsadern in den Westfjorden ist. Dennoch liegt das durchschnittliche Verkehrsaufkommen im Teilstück Ísafjörður bei nicht einmal 800 Fahrzeugen pro Tag. Außerdem funktioniert die Ausweichregelung ziemlich gut, niemand besteht hier auf sein Recht, es hat immer derjenige Vorfahrt für den es gerade am sinnvollsten ist. So werden große LKW Gespanne normalerweise immer durchgelassen, da das Stoppen und Wiederanfahren für sie natürlich erheblich (kraftstoff)aufwändiger ist.

Nachdem wir das etwa sechs Kilometer lange Teilstück des Tunnels hinter uns gelassen haben bot sich uns schon ein Blick auf die bevölkerungsreichste Stadt der Westfjorde: Ísafjörður. Diese erreichten wir nach weiteren drei Kilometern auf der 60, von der wir auf die 61 nach links abbogen und so nach vier Kilometern das Stadtzentrum erreichten.

Ísafjörður

Die wichtigste Stadt der Westfjorde – hier leben etwa 2700 der knapp 7400 Einwohner der Westfjorde – ist denkbar schlecht an den Rest der Insel angebunden. Mehrere Hundert Kilometer auf nicht asphaltierten Straßen muss man in beide Richtungen fahren, um die Westfjorde zu verlassen. Der schnellste Weg in die größeren Städte ist wohl der kleine Inlandsflughafen, wegen des oft harschen Wetters ist dieser besonders im Winter auch nur eine sehr unzuverlässige Option.
Doch der Ort hat dieses gewisse Flair, das uns in Reykjavík etwas fehlte.

Der Fischereihafen von Ísafjörður

Wie ein Fremdkörper hingegen wirkte das riesige Kreuzfahrtschiff, welches etwas außerhalb im Fjord lag. Und auch bei einem Spaziergang durch den Ort mit Mittagessen in einem Restaurant stellten wir fest: Unmengen von Touristen deren Kleidung eindeutig darauf schließen ließ, dass sie nicht individuell unterwegs waren. Leider profitiert der kleine Ort nicht wirklich von dieser Form des Tourismus: Der Großteil der Passagiere isst und trinkt an Bord und steigt nach einem kurzen Marsch durch die Stadt höchstens in einen Bus um zum Dynjandi zu fahren (auf dem Weg fiel uns schon auf, dass viele Straßen offenbar kürzlich asphaltiert wurden) oder in ein Boot um einen Ausflug zum Whale Watching machen, der uns persönlich zu teuer war.
Ich will hier gar nicht urteilen, eine Kreuzfahrt um Island ist sicherlich ein tolles Erlebnis! Wenn ihr mal in diesen Genuss kommt: Esst doch etwas vor Ort. Frischeren Fisch bekommt man wohl nirgends. Auch einen klassischen Islandpulli aus lokaler Schafswolle kann man besser beim Erzeuger als in irgendeinem Souvenirshop in Reykjavík kaufen, der seine Ware mutmaßlich aus China bezieht. Sonst besteht die Gefahr, dass die kleinen schönen Orte wie Ísafjörður, die ohnehin schon stark von der Landflucht betroffen sind, mit der Zeit ganz aussterben.
Nach dem Essen besuchten wir noch meine örtlichen Berufsgenossen und bekamen einen schönen Einblick in das Leben und die Arbeit der Menschen vor Ort.

Zuletzt besuchten wir noch eine Vínbúðin.
Dass Alkohol in den nordischen Ländern sehr teuer ist ist allgemein bekannt, Island folgt hierbei wie bei so vielen Dingen den festländischen Nachbarstaaten. Seit 1922 unterliegt der Verkauf von Alkohol in Island staatlicher Kontrolle (von 1915 bis 1922 war er sogar gänzlich verboten). Seitdem gibt es mit dem ÁTVR ein staatliches Monopolunternehmen für den Verkauf von Tabak und Alkohol. Der alleinige legale Verkauf alkoholischer Getränke (Ausnahme: Ausschank in Bars und Restaurants sowie Getränke bis zu 2,25% Alkoholgehalt) findet derzeit in den 48 Vínbúðin statt. Durch diese Monopolstellung und eine Versteuerung nach Alkoholgehalt ist das Bier in Island jedoch eher ein Luxusgut auf welches wir (mit einer Ausnahme zum Probieren) gut verzichten konnten.

Eine von 48 Vínbúðin, den einzigen Spirituosenläden der Insel

Anschließend ging unsere Reise weiter, etwa ein Drittel Westfjorde lag noch vor uns. Also zurück auf die 61 und den Abzweig auf die 60 rechts liegen lassen. Die nächsten 230 Kilometer auf der 61 waren wieder geprägt von elend langem Fjordgeschlängel, bei dem man sich zwischendurch immer mal wieder in Erinnerung rufen muss wie schön die Westfjorde sind, ansonsten läuft man doch Gefahr genug davon zu bekommen.

Dann hatten wir jedoch wieder eines dieser Erlebnisse, welches diese Reise für immer unvergesslich machen wird. Es war am Skötufjörður. Um uns herum herrschte Rushhour, vor uns war nämlich noch ein Auto und in weiter Ferne kam uns ein weiteres entgegen, als der Wagen im Gegenverkehr plötzlich ein ungewöhnliches Fahrmanöver machte und am Straßenrand zum stehen kam. Wenige Sekunden später hielt auch der Wagen vor uns am rechten Straßenrand an und Leute sprangen hinaus. Ich hielt dahinter, um die Situation zu erfassen, da ich die Ursache für dieses Verhalten noch nicht gefunden hatte. Als aus dem Wagen vor uns dann Kameraausrüstung ausgeladen wurde folgte ich den Blicken und Gesten der Leute auf den Fjord und sah zunächst einen größeren Vogelschwarm. Papageitaucher, schön, aber davon hatten wir ja nun schon unzählige Bilder. Aber da war noch etwas. Erst eine Flosse, dann ein Rücken: Ein Wal!

Hatten wir uns gerade noch aus mehreren Gründen gegen das kommerzielle Whalewatching per Boot entschieden, kamen diese beeindruckenden Kreaturen nun förmlich zu uns geschwommen. Es war wohl ein kleines Grüppchen Buckelwale in geschätzt 100m Entfernung, welches ich leider nicht so fotografieren konnte wie ich es mir gewünscht hätte, aber diese Eindrücke vergisst man ohnehin niemals:

Des Buckelwals Buckel – Whalewatching in Eigenregie

Der Rest der Fahrt verging dann auch wie im Flug, von der 61 bogen wir nach links auf die 643 in Richtung Drangsnes ab, wo wir übernachten wollten.

Drangsnes

Nach 22km passierten wir den Ortseingang, sahen am rechten Straßenrand drei hübsch angelegte Hotpots mit Meerblick und entschieden uns, nach dem Aufbau des Zelts dorthin zurückzukehren. Der Campingplatz in Drangsnes ist recht groß mit spartanisch eingerichteten sanitären Einrichtungen (Ein kombinierter Dusch- und Gemeinschaftsraum ist eine witzige Idee). Für 1100ISK (Etwa 8€) pro Person und Nacht bot er jedoch einen herrlichen Blick auf den Nordatlantik und die Insel Grimsey. Nein, nicht die Insel Grimsey weit im Norden innerhalb des Polarkreises, sondern den kleineren Namensvetter etwa 1,5km vor der Küste von Drangsnes. Beim Zeltaufbau stellten wir erfreut fest dass sich zwischen der Insel und dem Campingplatz im Meer auch Wale tummelten. Unterhalb des Campingplatzes lag ein Fußballfeld auf dem ein paar einheimische Mädchen gerade etwas Fußball spielten. Welch ein Idyll.

Sportplatz mit Premiumaussicht, ein paar Ersatzbälle sollte man aber wohl im Schrank haben 🙂

Zurück an den Hotpots zogen wir uns im kleinen Umkleide- und Duschhäuschen um, duschten und begaben uns ins Wasser, drei verschiedene Temperaturen zwischen lauwarm und Lobsterkochtopf standen zur Auswahl. Wir entschieden uns für die mittlere. In den Pools trafen sich einige Einheimische beim mitgebrachten Bier und genossen die Aussicht, die sich auch hier wieder nicht in Worte fassen lässt. Nicht nur die Landschaft, der Himmel, das Meer war wunderschön, auch hier konnte man die Walgruppe beim Springen und Fontänenpusten beobachten. Nun war selbst ich als eher wasserscheues Wesen überzeugt von der isländischen Badekultur. Solche Bilder kennt man sonst nur aus unbezahlbaren Luxushotels, hier sind sie kostenlos (eine kleine Spende in die dafür vorgesehene Box ist aber obligatorisch):

Whale watching die Zweite, diesmal dekadent

Im Hotpot lernten wir ein junges Paar aus Österreich kennen, welche die Insel auch in die entgegengesetzte Richtung bereisten und mit denen wir uns zurück am Campingplatz gemütlich über unser Erlebtes austauschen konnten, bevor wir von den immernoch anwesenden Walen seicht in den Schlaf gepustet wurden…

Mit 260km war dies auch wieder eine lange Etappe. Am nächsten Tag sollte es hinausgehen aus den Westfjorden, weiter in Richtung Akureyri, wo wir zwei Tage später eine Verabredung hatten.

Fazit zu den Westfjorden

Mein Resümee der drei Tage Westfjorde fällt eindeutig aus: Großartig! Die Westfjorde stehen eigentlich nicht unbedingt auf der Liste von „Island Ersttätern“, auch wir wollten sie eigentlich aus Zeitgründen auslassen. Die Entscheidung dorthin zu fahren war Spontan und der Begegnung in Husafell zu verdanken. Letztlich waren unsere Etappen ziemlich lang (über 750km in drei Tagen) und man kann sicherlich problemlos zwei Tage mehr einplanen, aber ich würde jedem empfehlen der die Insel besucht, zumindest einen kleinen Abstecher dorthin zu machen. Nun, bei uns waren die Bedingungen wie Wetter und Zeitpunkt absolut perfekt, aber dieses Erlebnis, das so völlig anders ist als der Rest der Insel – jedoch keinesfalls weniger schön – wollen wir nicht missen.

Fortsetzung folgt…

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