Der Irrtum von der teuren Fähre
Für diejenigen, die sich mit Island noch nicht im besonderen beschäftigt haben: Es ist teuer. Dort habe ich es das erste Mal erlebt, dass Schweizer sich über hohe Preise auslassen. Daher haben wir bei der Planung natürlich ein besonderes Augenmerk auf das Budget und versuchen die undvermeidbaren Kosten so gering wie Möglich zu halten. Ein großer Posten ist da die Anreise. Es gibt eigentlich nur die beiden genannten Möglichkeiten: Flugzeug oder Fähre. Das Flugzeug ist mit Abstand die günstigste Variante. ABER: Man benötigt einen Mietwagen. Will man ins Hochland oder etwas abseits der Ballungsgebiete unterwegs sein, ist ein Wagen mit Allrad pflicht. Für drei Personen mit Gepäck darf es nicht das kleinste Vehikel sein, da man doch viel Zeit darin verbringt. Da liegt die Krux, und es lohnt sich, die Kosten genauer zu betrachten:
Anreise mit dem Flugzeug und Mietwagen vor Ort:
Unsere Flüge (die ja storniert wurden) haben pro Person 264,63€ gekostet. Das ist vergleichsweise günstig, letztes Jahr lagen wir bei knapp dem Doppelten.
Landung am Flughafen Keflavik wäre am 30.08. um 23:55 Uhr gewesen, Abflug zurück am 18.09. um 00:50 Uhr.
Ein Mietwagen von entsprechender Größe (die Wahl fiel auf einen Nissan X-Trail) kostet für diesen Zeitraum bei Buchung mit einem Sommerangebot 1179€ – das ist wahnsinnig günstig, bei Buchung des Fluges lag der Preis noch bei 1600€ (immer noch weniger, als wir im Jahr zuvor für einen Suzuki Jimny bezahlt haben), ich vermute die Vermieter haben mit dem ausbleibenden Tourismus enorm zu kämpfen.
Gesamtkosten für drei Personen: 1972,89€
Aufenthalt vor Ort: 18 Tage
Anreise mit der Fähre und dem eigenen Auto:
Eine erste Recherche ergab einen Fährpreis von 1800€ hin und zurück. Darin enthalten: Fährfahrt für drei Personen, Auto von 450cm Länge und unter 190cm Höhe, Vierbett Innenkabine. Irgendwo habe ich mal gehört, man könne die Fähre auf isländisch buchen, dann zahle man in isländischen Kronen, was je nach Wechselkurs deutlich günstiger sein kann. Das habe ich kurzerhand ausprobiert und kam auf einen Preis von 221780ISK. Der Wechselkurs ist ziemlich in Bewegung, jedoch belief sich der Kurs Ende Juni auf etwa 155ISK/EUR, was einen Gesamtpreis von etwas über 1430€ bedeuten würde, also etwa 20% weniger! Wir haben noch etwas recherchiert ob es rechtlich oder steuerlich problematisch sein könnte auf isländisch zu buchen, sind jedoch zu dem Entschluss gekommen, dass ich bei einem ausländischen Anbieter buche, dessen Leistung auch im Ausland in Anspruch nehme, und der einzige Unterschied die Währung ist. Das ist jedoch eine Laienmeinung ohne Gewähr.
Also haben wir gebucht, und tatsächlich, es wurden 1435,94€ von der Kreditkarte abgebucht. Besonders spannend: Die Buchungsbestätigung und das Reisedokument bekamen wir trotz der isländischen Buchung auf deutsch.
Die Fähre legt am 29.08. um 16:00 Uhr in Hirtshals ab und am 01.09. um 09:00 Uhr in Seyðisfjörður an. Am 16.09. um 20:00 Uhr legt sie wieder ab, um am 19.09. um 11:30 Uhr in Dänemark anzukommen.
Fairer weise muss man noch die Spritkosten für die Anfahrt nach Dänemark addieren. Eine Strecke bis Hirtshals sind etwa 900km. Also 1800km, bei einem Dieselverbrauch von 7l/100km und einem Dieselpreis von 1,20€/l (in Deutschland derzeit etwas weniger, dafür in Dänemark etwas mehr) ergibt das Kraftstoffkosten von 151,20€. Runden wir auf 160€ auf. Verschleiß lassen wir mal außer Acht. Unser Auto ist zum Fahren da.
Gesamtpreis für drei Personen: 1595,94€
Aufenthalt vor Ort: 16 Tage
Reisedauer ist Amortisationskriterium
Okay, diese Überschrift klingt etwas geschwollen. Ist sie auch, denn es ist eigentlich ganz einfach: Je länger die Reise ist, desto eher lohnt sich eine Anreise mit der Fähre. Der Break Even Point (um beim BWL Jargon zu bleiben) ist für drei Personen bei etwa zwei Wochen Aufenthaltsdauer.
Der Faktor Gepäck…
… ist nicht zu verachten. Bei einem Kurztrip mit Hotel natürlich kein Problem, wer jedoch mehrere Wochen mit eigenem Equipment zelten möchte wird feststellen, dass die Beschränkungen im Flugzeug in Sachen Gepäck schon einschneidend sind. Das Gewicht ist schnell überschritten und wer mit Benzin kocht kann unter Umständen das Pech haben, dass das Gepäck ohne Kocher ankommt, da die Sprengstoffsensoren wegen des Benzins angeschlagen haben. Und je leichter das Equipment ist, desto teurer ist es auch.
Wenn man zwei Wochen in einem kleinen Auto aus dem Koffer lebt, ist außerdem Chaos garantiert. Ständig sucht man irgendwas.
Daher eröffnet die Möglichkeit, das Auto einfach zu Hause mit dem Campingequipment zu packen, ganz andere Möglichkeiten. Man kann das Equipment aufteilen, in Kisten verstauen und sich sogar manch Luxusartikel gönnen, zum Beispiel einen Campingstuhl.
Auch bieten sich andere Möglichkeiten der Aktivitäten vor Ort. Im Flugzeug ist an Kletterequipment wegen des ausgeschöpften Gewichtes nicht zu denken. Ich bin mir sicher, im Auto finden wir noch einen Platz…
Der eigene PKW in Island
Jedoch, wie so oft im Leben, man kann die Frage nach dem Verkehrsmittel nicht rein rechnerisch beantworten. Die Fahrzeugwahl ist ein elementares Kriterium bei der Reiseplanung, ganz besonders in Island. Bei einem Mietwagen vor Ort hat man natürlich viel Auswahl, sodass man die Fahrzeugwahl an die Reiseplanung (und das Budget) anpassen kann. Reist man mit dem eigenen PKW ist die Auswahl wohl bei den meisten Menschen eher begrenzt. Hier muss man eher die Planung nach dem Fahrzeug richten:
Kleinwagen
Mit einem Kleinwagen (Opel Corsa, Ford Fiesta, Suzuki Swift…) kann man im Sommer bei normalen Bedingungen problemlos die Ringstraße fahren. Ausflüge auf Gravelroads (Schotterpisten) sind bei vorsichtiger Fahrweise vermutlich möglich, bei schlechtem Wetter kann es aber Probleme bei Steigungen geben. Die Westfjorde würde ich mit einem Kleinwagen nur erfahrenen Fahrern empfehlen.
PKW
Fahrer von „normalen“ PKW (VW Passat, Mercedes C-Klasse, Skoda Oktavia…) können wohl im Sommer problemlos die Ringstraße umrunden. Abstecher in die Westfjorde sind bei gutem Wetter drin. Die Bodenfreiheit spielt auf Schotterstraßen eine Rolle, ein Sharan kommt sicherlich besser zurecht als ein 3er BMW (mit tiefergelegten Fahrzeugen würde ich erst gar nicht auf die Fähre fahren, die sind in Island einfach falsch).
SUV / Bus
SUVs und Busse (VW Tiguan, Hyundai Tucson, VW Transporter…) profitieren auf unbefestigten Wegen von ihrer höheren Bodenfreiheit. Mit Allradantrieb (und wirklich nur damit!) eröffnen sich die Möglichkeiten, das wunderschöne isländische Hochland zu erkunden sowie je nach Bereifung die Ringstraße im Winter zu befahren. Achtung: Die Magische Preisgrenze auf der Fähre beträgt 1,90m. Ist das Fahrzeug höher wird es signifikant teurer!
Geländewagen
Geländewagen (Toyota Landcruiser, Land Rover Discovery, Suzuki Jimny…) sind ideal in Island. Damit sind auch, abhängig vom Fahrzeugtyp, Ausstattung (Höherlegung, Reifen…) und Erfahrung des Fahrers, anspruchsvollere Ausflüge im Hochland sowie ausgedehntere Fahrten im Winter möglich.
Spezialfall Dachzelt
Eigentlich bietet sich ein Dachzelt in Island unabhängig vom Grundfahrzeug geradezu an. Camping ist günstig, ein Dachzelt ist schnell auf- und wieder abgebaut und bei täglich wechselnden Campingplätzen macht das Sinn. Das Problem: Mit unserem Dachzelt ist unser Auto 230cm hoch. Wie erwähnt, die magische Preisgrenze liegt bei 190cm. Das macht bei unserer Fahrt eine Differenz von 600€ aus. Das war es uns nicht wert. Wer mit Dachzelt unter diesem Wert bleibt oder ohnehin die 190cm übersteigt (die nächste Grenze ist bei 250cm) sollte das jedoch wirklich in Erwägung ziehen. Vorsicht, Wind müssen Dachzelt und Insassen abkönnen.
Fazit
Es gibt viel mehr, was für eine Fährfahrt spricht, als ich bisher gedacht hätte. Natürlich gibt es auch einiges was dagegen spricht, und vieles ist Geschmacksache. Hier eine kleine Übersicht meiner persönlichen Pros und Contras:
Pro Fähre
- Der Urlaub beginnt an der Haustür
- Flexibilität beim Gepäck
- Kostengünstiger
- Kein Mietwagen
- Entspannte Ankunft
- Entschleunigung auf der Überfahrt, Zeit für Reiseplanung
- Ein hoffentlich tolles Erlebnis
Pro Flugzeug / Mietwagen
- Schnellere Anreise
- Flexibilität bei der Fahrzeugwahl vor Ort
Contra Fähre
- Fahrzeugverschleiß
- Lange Anreise
- Seekrankheit?
Contra Flugzeug / Mietwagen
- Gepäckberschränkungen (Gewicht, Benzinkocher…)
- Hohe kosten bei (längerer) Fahrzeugmiete
- je nach Flugzeiten stressig
Manches davon ist natürlich sehr subjektiv. Ich bin zum Beispiel lieber mit meinem eigenen Auto unterwegs als mit einem Mietwagen. Außerdem sind Urlaubsfahrten für mich kein notwendiges Übel, sondern wenn ich im Rückspiegel mein zu Hause verschwinden sehe, fängt der Urlaub an. Das sieht natürlich nicht jeder so, und 900km Autofahrt „vor“ und „nach“ dem Urlaub sind für manche eine Horrorvorstellung. Trotzdem: So sehr ich die Fähre stets als teuer und unpraktisch abgestempelt habe, so sehr freue ich mich nun, die Zeit an Deck mit Lesen zu verbringen, die Shetlandinseln im Vorbeifahren zu sehen und die Schönheit der Faröer Inseln zumindest von Bord aus bewundern zu dürfen. Ein Reisen von ganz anderer Art.
Ein Eindruck, den ich inzwischen übrigens uneingeschränkt bestätigen kann!